WM 2006: Acht Spiele in vier Wochen
11.06.2006
Mexico-Iran 3:1 in Nürnberg
Es ist ein Traum! Mein ersten WM-Spiel. Mexico-Iran in Nürnberg - doch eigentlich ist es egal wer da spielt. An der Einfahrtsstrasse haben wir zwei Amerikaner aus Cicago getroffen. Sie sind für zwei Wochen hier. Als sie unsere Karten sehen, halten ein kleines Pappschild hoch "We need Tickets". "Eighthundert Euros" wollen sie zahlen. 800 Steine, ich glaub ich höre nicht recht. Dann erhöhen sie auf 900. Der Videobeweis liegt bei. Ich bin wohl im falschen Film.
Mein 1.WM-Spiel
11.06.2006
Mexico-Iran 3:1 in Nürnberg
Es
ist ein Traum! Mein ersten WM-Spiel. Mexico-Iran in Nürnberg - doch
eigentlich ist es egal wer da spielt. An der Einfahrtsstrasse haben wir
zwei Amerikaner aus Cicago getroffen. Sie sind für zwei Wochen hier.
Als sie unsere Karten sehen, halten ein kleines Pappschild hoch "We
need Tickets". "Eighthundert Euros" wollen sie zahlen. 800 Steine, ich
glaub ich höre nicht recht. Dann erhöhen sie auf 900. Der Videobeweis
liegt bei. Ich bin wohl im falschen Film.
In der Nähe des Fanfestes reden wir mit Holland-Supportern. Sie sind
optimistisch für das Spiel gegen Serbien/ Montenegro. Erzählen die
Ticket-Story einem Exil-Iraner aus Linz, der uns gleich ein Angebot für
das Spiel gegen Portugal ins Aussicht stellt. 300 Euro für ein
Kategorie 3 Ticket. Ein Wahnsinn in grün-weiss-rot. Für den
Uneingeweihten ist es schwer die beiden Fanlager auseiander zu halten.
Und die tauschen im Biergarten e-mails aus, fotografieren sich
gegenseitig. Erinnerungen an schöne warme Tage in Deutschland.
Wir
sind die ersten im Stadion. Werden deshalb auch entsprechend
kontrolliert. Die alte Videokamera wird abgenommen, der Rucksack zwei
Mal inspiziert. Im Stadion dröhnen die Boxen, eine Minileinwand in 200
Meter Entfernung zeigt das Holland-Match aus Leipzig. Fast nichts zu
sehen. Es soll aber 1:0 stehen - "Holland!"
Das Stadion füllt sich, wir sitzen in der Iran-Kurve. Fünf Mal läuft
die Laola durch das fränkische Rund, an den VIp-Sitzen verebbt sie. Ein
Nachbar ist für die WM eigens mit seinem Sohn aus Norwegen angereist.
Mit dem Anstoss beginnt ein Höllenlärm. Tröten, Trillerpfeiffen,
Gesänge! Eine einzige Party. Azusnahmezustand für das Gehör!! Schon mit
einem Unentschieden wären die Iraner zufrieden, sagt zumindestens mein
Nachbar. Dann bläst er wieder in seine Trillerpfeiffe. Lange steht es
1:1. Dann wird Spielmacher Karimi ausgewechselt und das Team fällt
erschöpft zusammen. 2:1, 3:1 - ein wenig zu hoch. Die Iraner sind still
geworden, trotzdem schwingt unter uns der Beton im Freudentackt! Die
Mexikaner feiern.
Auf der Rückfahrt wankt die Strassenbahn. "Mexico, Mexico!" In der Altstadt tanzen die Sieger: "Show your Tits, Show your Tids!" Ein paar Meter weiter werden deutschen Polizisten die Mützen für eine Erinnerungsfoto entrissen, liegen sich alle seelig in den Armen. Ein Traum geht langsam zu Ende!
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Mein 2.WM-Spiel
15.06.2006
Ecuador- Costa Rica 3:0 in Hamburg
Am S-Bahnhof Hamburg Stellingen werden Bananen verteilt. Nervennahrung
für die Fans und Image-Werbung für Costa Rica. Die Papierkörbe quellen
über. Neben einer Kneipe machen sich gerade drei Ecuadorianer mit
Pinsel und drei Sorten Wasserfarben schick. Rot-blau-gelb von Kopf bis
zu den Beinen. Vor dem Stadion produziert sich derweil eine TV-Schöne.
"Ecuador, Ecuador" hallt es zurück.
Die Einlasskontrollen kein Problem. Egal ob ein falscher Name auf dem
Ticket steht, eine Frau die Karte eines Mannes benutzt. Nur wenn man
sie filmt, werden die Ordner nervös. "Es sind schon Kollegen auf
Hooligan-Seiten aufgetaucht" hört man.
Ich sitze im Costa Rica-Block. Leider!
Doch es geht gut und schnell los. "Tooooor"!
Ich bin der Einzige der sich hier freut. Ein munteres Spielchen
entwickelt sich, bei dem die Mittelamerikaner keine Chance haben. Die
Abwehr der Ecuadorianer steht sicher, ihr Flügelspiel ist erfolgreich.
Die Tore fallen und die Laune um mich herum wird immer schlechter. Die
durchs Rund gleitende La Ola verebbt regelmäßig in unserem Block.
Pfiffe von der Gegenseite.
Auf den besseren Plätzen zahlreiche Lücken. Sie werden nach Anpfiff mit
'Volunteers' belegt. An den Absperrung zu den Traversen stehen dicht an
dicht 'Stewards', die Flitzer aufhalten sollen. Erst gestern gelang es
einem wieder die Absperrungen zu durchberechen.
3:0 steht es am Ende und Costa Rica scheidet als zweite Mannschaft aus
dem WM-Turnier aus. Viele 'Fans' verlassen schon vor Abpfiff ihre
Plätze. Manche lassen gar ihre Fahnen im Stadion liegen. Zehn Kilo
wiegt der rot-blaue Fahnenstoff - viel zu schwer für ein Souvenir.
Vor der Arena tanzen derweil die Ecuadorianer. "Berlin, Berlin - wir
fahren nach Berlin". Recht haben sie! In vier Tagen werden sie auf
Deutschland treffen. Im letzten Spiel der Vorrunde.
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Mein 3.WM-Spiel
17.06.2006
Portugal-Iran 2:0 in Frankfurt/Main
Vor dem Stadion blüht der Schwarzhandel. Ein Kategorie 1 Ticket wird
für 150 Euro gehandelt, Kategorie 3 kostet 100 Euro. "Yehh - we are
inside" ruft einer. Auch sein Kumpel mit Portugal-Schal ist glücklich.
Gestern erst sind sie losgeflogen. 15 Uhr das Spiel hier und 21 Uhr
geht es in Kaiserslautern weiter. USA gegen Italien. Morgen geht es in
die Staaten zurück! WAHNSINN!!
Im Stadion ist es wie in einer Sauna. Das Hallendach wurde geschlossen.
Der Videowürfel wirft Schatten. Das ist schlecht für die TV-Zuschauer.
Unten marschieren derweil Portugals Stars ein. Figi, Deco, Ronaldo.
Klein wie Überraschungseierfiguren, aber sie sind es. Werden sie gleich
zaubern?
Es dauert 63 Minuten lange Minuten bis die Portugiesen in Führung
gehen. Ein brillianter Schuss von Deco, genau unter uns. Die Iraner
werden schlagartig still. Dann noch ein Elfmeter. der erste dieser WM.
Ronaldo trifft, um mich rum Entsetzen. Ein Mädchen hat gar Tränen in
den Augen. Vor dem Stadion warten Portugiesische Fans auf ihre Idole.
Ein paar spielen auf einer Wiese Fussball. Sie können einfach nicht
genug kriegen!
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Mein 4.WM-Spiel
21.06.2006
Iran-Angola 1:1 in Leipzig
Im
ICE nach München an einem `normalen`Mittwoch Mittag. In den Gängen
drängeln sich die Menschen. Drei Schotten in traditioneller Tracht
haben die ersten Biers geöffnet. Einer hat ein Trikot von
Serbien/Montenegro an. Die spielen heute Abend in der bayerischen
Landeshauptstadt. Vier Iraner haben Plätze ergattert. Ich nicht. Erst
muß ich stehen, dann wird es mir zu bunt. "Die Fahrausweise bitte". Die
Schaffnerin hat Nerven. "Eine schöne Fahrt noch" sagt sie, als sie über
meine Beine am Boden steigt.
Leipzig ist (wie immer) sehr entspannt. Die Polizei trägt hier
Headseats, hellbraune T-Shirts und dunkle Hosen. Den Weg zum Stadion
kann man gut erlaufen. Zwischendurch begegnen uns zwei Japaner, eine
Gruppe tanzender Angolaner und jede Menge Irak-Fans. Nur Papierkörbe
für die leeren Plastikbecher gibt es in Leipzig keine. Denn Iran-Angola
ist ein 'Sicherheitsspiel'. Irgendwo demonstrieren eine Handvoll
politisch Korrekte - keinen interessiert es. "Iran, Iran".
Das
Leipziger Zentralstadion füllt sich nur langsam, viele Plätze um mich
herum im Iran-Block sind leer. Es sind die besten Plätze bisher. Gute
Sicht zum Tor, nicht irgendwo unterm Dach plaziert wie noch in
Nürnberg. Es gibt wieder dieses scheusslich-dünne amerikanische 'Bier'
und Heringsbrötchen. Im Juni bei 40 Grad im Zentralstadion.
Die Perser beginnen das Spiel, als ob sie sich noch fürs Achtelfinale
qualifizieren könnten. Vier Grosschancen in einer Halbzeit und dann
immer noch kein Tor. Die Angolaner sind da in Hälfte Zwei cleverer. Ein
wunderschöner Kopfballtreffer und im Angola-Block ist endlich auch
einmal Stimmung. Zwischen all dem rot und schwarz plötzlich auch eine
Israel-Fahne. Was für Deppen!
Eine
Reihe hinter mir werden gerade Bratwürste verteilt, vor mir beißt ein
Mädchen herzhaft in eine Schnitzelsemmel. Iran kommt dann doch noch zum
verdienten Ausgleich. Mehr ist nicht drin. Viele Fans sind sauer. Ein
volles Tetrapack fliegt gen Spielfeld, Pfiffe nach Spielschluss. "Wir
haben viel Geld bezahlt um hierher zu kommen" sagt ein Mann hinter mir
"und dann kommen sie nicht mal in die Kurve". Neben mir liegen zwei
Fahnen im Staub. Sie riechen nach Terpentin. Immerhin hab ich so neue
WM-Souvenirs erhalten.
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Mein 5.WM-Spiel
24.06.2006
Ukraine-Tunesien 1:0 in Berlin
Was in anderen Städten klappt, geht in Berlin irgendwie nicht. Erst
kommen nur hin und wieder S-Bahnen, dann stauen sich am Einlaß die
Menschen, der Zugang zu den Tribühnen ist verstopft. Hauptsache jetzt
keine Panik! Immerhin: der Schwarzmarkt blüht. Ein Freund bekommt mit
viel Glück noch ein Kategorie 1 Ticket für 50 Euro. Kurze Zeit später
schlagen Zivilpolizisten zu, zücken ihre Dienstmarke. Ist irgend etwas
passiert?
Wir entern das WM-Endspiel-Stadion mit den Blanco-Karten eines
WM-Sponsors. Trotz 'Hospitality-Ticket' gibt es keine Lachsschnittchen.
Dafür gepolsterte Sitze und einen guten Blick von der Seite des
Spielfeldes. Die Partie ist ein Grottenkick und hätte eigentlich keinen
Sieger verdient. Nach 35 Minuten liest mein Fordermann in einer
Zeitung, der Nachbar schreibt SMS.
Selbst von den so berüchtigt-schönen Ukrainerinnen ist wenig zu sehen.
Langeweile pur - trotzdem ist die Hütte voll. Vereinzelte Pfiffe, die
später zu einem Orkan anwachsen. Der 30 Millionen Stürmer Schwetschenko
unten scheint heute keine 30 Cent wert. Irgendwann lässt er sich fallen
und bekommt einen Elfmeter. Ein Geschenk. Dann jubeln die Ukrainer
hinter uns! "Dawai, dawai". Kurz danach wird der eine Stürmer
ausgewechselt, der andere fällt vor Erschöpfung laufend um. Abpfiff -
ENDLICH! Es werden bessere Spiele kommen - sicherlich. In Nürnberg,
Gelsenkirchen und München. Das Olympiastadion werd ich zu dieser WM
wohl nicht mehr wieder sehen.
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Mein 6.WM-Spiel
25.06.2006
Portugal - Holland 1:0 in Nürnberg
Manchmal geht man zum Spiel. Dann sieht man ein historisches Match und
könnte am Ende doch nur heulen. Warum nur ist Marco van Basten so
bekloppt, warum muß es ausgerechnet ein Russe als Schiedsrichter sein.
Das ist halt Fussball. Dramatik, Freude, Trauer und am Ende geht einer
als Sieger vom Platz ....
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Mein 7.WM-Spiel
01.07.2006
England - Portugal 1:3 n.E. in Gelsenkirchen
Die Luft steht unterm Hallendach. Kein Lüftchen kühlt und der Schweiss
rinnt. Wie müssen sich erst die Spieler auf dem Rasen fühlen! Es ist
schwer zu begreifen, warum bei dieser Hitze das Dach geschlossen ist.
Die Antwort ist einfach.
Der Videowürfel in der Mitte der Gelsenkirchener Arena könnte bei
Sonneneinstrahlung Schatten werfen und so die TV-Zuschauer stören. Also
spielt man lieber in der Sauna, die FIFA will es so.
Einiges läuft schräg an diesem ersten Julitag 2006 in Gelsenkirchen.
Strassenbahnen und Busse bleiben in der Anfahrt zum Stadion an einer
ständig roten Ampel im Stau stecken. Genug Polizisten sind zwar
unterwegs, aber keiner der spontan mal die Verkehrsreglung übernimmt!
Der Anstoss rückt unaufhaltsam näher und einige der englischen Fans
werden so unnötig sauer. Selbst im Stadion fliesst das Bier nicht.
Ich sitze mit meinem TST-Iran-Ticket zwischen Portugiesen und
Engländern. Leider kommen wir etwas spät und so kann ich das oft im TV
bestaunte "God save the Queen" nur noch in Teilen geniessen. SUPER!
Die Jungs von der Insel machen auf den Tribühnen mächtig Krawall.
England ist die beste Mannschaft, die ich bisher LIVE gesehen habe.
Eine stabile Verteidigung, ein lebendiges Mittelfeld. Und dann: Kampf,
Kampf, Kampf. Vor allem nach der Szene, in der Rooney wegen Nachtertens
zurecht vom Platz gestellt wird.
Die Portugiesen (wie immer) taktisch glänzend eingestellt, aber
spielerisch (wie immer) nicht überzeugend. Allein Figo brilliert.
Ronaldo läuft sich eigensinnig an der englischen Abwehr fest. Und das
in schöner Regelmässigkeit.
Vor dem Elfmterschiessen winkt mein englischer Nachbar bereits
resignierend ab. Er wird Recht behalten. Wieder einmal. So jubeln am
Schluss (schon wieder) die Portugieren, deren Mauertaktik sie nun bis
ins Halbfinale getragen hat. Ich werde ihnen nach München folgen - zum
letzten Mal!
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Mein 8.WM-Spiel
05.07.2006
Ein schlechter Tag für Tickethändler. Polizei im Bahnhof, Polizei vor dem Bahnhof und die Schwarzmarktpreise im Keller. Statt des erhofften Spieles England - Brasilien gibt es nun den Euro-Kick der Portugiesen gegen die Franzosen. Was jedoch zahlreiche Fans der Salecao nicht davon abhält, durch die bayerischen Landeshauptstadt zu flaniern. Dazu kommen noch einige Engländer die auf dem Marienplatz gegen fanenschwenkende Franzosen anschreien und zahlreiche hüpfende Portugiese. Die Stimmung ist bei 32 Grad prächtig.
Ein paar Jungs spielen auf dem Pflaster vor dem Rathaus Fussball, zeigen Kabinettstückchen. Doch plötzlich unterbrechen vier Polizisten die Party. Nun schreiben sie Personalien auf, reagieren unwirsch wenn Fans ihnen zu nahe kommen. Willkommen in der Realität, by, by schöne WM-Party. Die Welt war zu Gast bei Freunden.
Plötzlich fängt ein Portugiese an zu trommeln, immer mehr Fans schlagen auf die Bongos ein. Die Menge pfeift und singt, die Polizisten rücken resigniert ab. Warum ist nicht jeden Tag in Deutschland Fussballweltmeisterschaft?!
"Le metro set la merda" - nach neun U-Bahn-Stationen, ist das T-Shirt durch, hat man aber auch neue Bekanntschaften gemacht. "Hoffentlich sehen wir heute ein paar Tore" sagen zwei Schweizer beim Abschlied. Sie haben ein Paraguay-TST-Ticket bis ins Endspiel und noch kein Spiel ihrer Eidgenossen live gesehen.
Vor dem Stadion malen derweil ein paar Schönheiten für 5 Euro portugiesische Fans an. Polizsten jagen erfolglos Schwarzhändler. Ein Fan in rot-grün bittet fast flehentlich seine Karte abzunehmen. Zum Selbstkostenpreis. Und das bei einem Halbfinale einer WM.
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