Unerwünschte Aufklärung – Was aus den Kronzeugen im Radsport geworden ist (II)

von Ralf Meutgens und Fred Kowasch

Vor einigen Jahren sorgten ihre Fälle für Schlagzeilen. Insider aus dem Radsport, die ihr Wissen öffentlich machten. Über Dopingpraktiken berichteten, über die Mittäterschaft von Trainern, Ärzten und Funktionären sprachen. Ihre Aussagen schockierten die Öffentlichkeit, gaben einen Einblick in die bis dahin weitgehend verdeckten Strukturen im professionellen Radsport. Die Folgen jedoch waren überschaubar. Konsequenzen gab es so gut wie keine. Eine Serie über Whistleblower, ihre Motive und die Konsequenzen.

Der Olympia-Medaillengewinner:

robert lechner august 2015Er war Junioren-Vizeweltmeiser im 1000 Meter Bahnfahren, gewann deutsche Meistertitel in dieser Disziplin. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul schließlich gewann Robert Lechner für die Bundesrepublik Deutschland die Bronzemedaille. Noch vor dem favorisierten Fahrer aus dem DDR-Team.  Was die Öffentlichkeit nicht, aber Robert Lechner wußte: dieser Erfolg kam durch Betrug zu Stande. 

Jahrelang lebte er mit diesem Wissen. Bis er es schließlich – fast 20 Jahre später – im Februar 2008 öffentlich machte. Ohne, dass er zuvor in irgendeiner Weise in Verdacht geraten war. Lechner sprach darüber, wie er in Vorbereitung auf Olympia in Seoul "unerlaube Medikamente, es waren Dopingmittel" genommen habe. Kortison, Anabolika, Testosteron – das ganze Programm. Wie er dadurch mehr trainieren konnte, seine Leistungen immer besser wurden. Er schließlich die Olympiamedaille gewann. Lechner berichtete auch, dass diese verbotenen Substanzen, ihm von damaligen BDR-Verbandsarzt Georg Huber empfohlen wurden. Der ihm gleich noch einen Medikationsplan dazu schrieb.  

"Es war wohl so, dass alles gestimmt habe, was ich erzählt habe. Es gab keine inhaltliche Kritik. Es gab eigentlich auch keinen Gegenwind, in dem Sinn. Es gab keine Reaktionen von den Leuten, die eigentlich mitbetroffen warn. Weder von Funktionären, von Ärzten, von Sportlern, von Trainern.  Es wurde einfach kommentarlos darüber hinweggesehen." 

Robert Lechners Dopinggeständnis war das erste eines Olympia-Medaillengewinners aus der BRD. Und das bisher letzte. Seine Anhörung durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) fand er ernüchternd, eine "Alibiveranstaltung" wie Robert Lechner heute sagt. Ihn habe dort der Pressesprecher empfangen. "Herausgekommen ist nichts." 

Später habe er von Seiten des DOSB-Justiziares gehört, alles sei verjährt, beim DOSB sehe man keinen Handlungsbedarf. Ein Gespräch mit dem Bund Deutscher Radfahrer kam nie zu Stande. Allerdings interessierte sich die 'Unabhängige Untersuchungskommission zur Aufklärung der Dopingpraktiken an der Universität Freiburg' (Paoli-Kommission) für seine Aussage. 

Lechner arbeitet heute als Trainer, hat ein Radsportgeschäft in Ruhpolding. Seine Söhne sind als Kadersportler dem Doping-Kontroll-System unterworfen. Ihnen hat er seine Aussage gewidmet: 

"Ich bin als Trainer tätig. Ich habe mit jugendlichen und erwachsenen Sportlern zu tun. Wenn ich denen beibringen will, was richtig ist, wie man auf einem gesunden Weg eine Top-Peistung erbringt, dann darf ich selbst keine Leichen im Keller haben."


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