Das Geschäft mit den Jedermännern
Die Fitnesswelle.
Ein Boom, der scheinbar kein Ende kennt. Fast jeder Vierte läuft.
Und auch der Triathlon wird immer populärer. Schwimmen, Rad fahren, Laufen - am Ende hoffentlich 'finishen'.
Immer mehr Sportveranstaltungen werden mittlerweile von kommerziellen Event-Agenturen ausgerichtet.
Ein riesiger Markt mit riesigem Potenzial.
Ein Film von Daniel Drepper und Fred Kowasch
Die Fitnesswelle. Ein Boom, der scheinbar kein Ende kennt. Fast jeder Vierte läuft. Und auch der Triathlon wird immer populärer. Schwimmen, Rad fahren, Laufen - am Ende hoffentlich finishen. Immer mehr Sportveranstaltungen werden mittlerweile von kommerziellen Event-Agenturen ausgerichtet. Ein riesiger Markt mit riesigem Potenzial.
Köln, vor zwei Wochen. Auf den letzten Drücker kommen sie. In ein paar Stunden startet in Köln das Abenteuer Marathon. Dass sie heute Morgen - mit über 100 Euro - fast doppelt so viel zahlen, wie noch vor ein paar Monaten, ist ihnen egal.
Umfrage
„Das ist ein bisschen teurer, als auf den anderen Marathons zwar, aber dafür ist es halt Köln. Und in Köln ist der Spaß glaube ich größer, als auf anderen Marathonveranstaltungen."
„Es ist schon ein bisschen teurer als die Konkurrenten, aber ich denke, das ist ok. Ich weiß, was für ein Aufwand dahinter steckt."
„Bei manchen gibt es auch noch ein T-Shirt dabei, das gibt's hier nicht. Aber sonst ist es ok."
Der Köln Marathon mit seinen 27.000 Teilnehmern gehört zu den größten in Deutschland. Nur Berlin, Hamburg und Frankfurt haben mehr Teilnehmer. Laufen ist in, Sporttreiben sowieso.
Markus Frisch (Köln Marathon Veranstaltungs- und Werbe GmbH):
„Es ist im Grunde ein Nullsummenspiel. Wir haben einen Etat von rund 1,8 Millionen in diesem Jahr. Deckt sich zum großen Teil aus Startgeldern."
„Wieviel?"
„70 Prozent sind Startgelder, 30 Prozent sind Sponsoringgelder. Es ist natürlich immer schwierig, das zu kalkulieren. Am Ende reicht's dann immer gerade noch für eine schwarze Null."
Der Köln-Marathon. Er macht plus, gerade auch weil die eingesetzten Polizisten vom Staat bezahlt werden, Tausende freiwillige Helfer kein Geld bekommen. Weil nur Vereine des Deutschen Leichtathletik Verbandes eine Laufveranstaltung ausrichten dürfen, haben die Kölner einen solchen gegründet. Sein vornehmlicher Zweck: den Marathon beim Verband anzumelden.
Leo Monz-Dietz ist westfälischer Landestrainer Leichtathletik und zuständig für den Straßenlauf. Er beobachtet, wie Vereine von Agenturen ausgenutzt werden.
Leo Monz-Dietz (Westfälischer Landestrainer Leichtathletik):
„Es werden ganz einfach Vereine, die dort im Umfeld tätig sind, werden halt angesprochen, ob sie bereit sind halt eben die Veranstaltung anzumelden. Die Vereine melden dann die Veranstaltung an, die werden halt auch genehmigt. Und die Organisation der Veranstaltung wird dann auch in erster Linie halt eben durch eine Organisation halt eben durchgeführt, der dann halt auch den finanziellen Nutzen aus der Veranstaltung zieht."
Der Veranstalter in Köln hat wenigstens noch pro forma einen Verein gegründet. In Hamburg hat eine Event-Agentur den Lauf dagegen gleich über den Landesverband angemeldet. Die 30.000 Läufer werden von kommerziellen Vollprofis abgewickelt. Vereine spielen nur noch eine Nebenrolle, sie stellen die zahlreichen Helfer. Zwei Millionen Euro setzt der Hamburg-Marathon um, der Reingewinn ist sechsstellig. Trotzdem gab es in diesem Jahr auch noch einen Zuschuss aus dem Stadtsäckel: 85700 Euro an Steuermitteln für dieses hochprofitable Geschäft.
Der Hamburg-Triathlon - mit über 12.000 Teilnehmern einer der größten der Welt. An zwei Tagen tummeln sich rund um die Binnenalster Freizeitsportler und Profis. Breitensport wird hier zum Produkt. Noch viel stärker als bei den großen Marathons. Die Intention der Ausrichter ist Profit. Abgewickelt wird das Mega-Event von upsolut, einer Sportveranstaltungsagentur.
Christian Toetzke (upsolut sports ag):
„Sie sollten in jedem guten Geschäft oder überhaupt damit es gesund ist, damit sie überhaupt langfristig bestehen können, sollte man schon Umsatzrenditen von 10-15 Prozent erreichen. Also alles andere ist auch nicht gesund, weil man sonst die viel zu große Gefahr hat, das man ständig immer wieder in den Verlust rutscht."
Fast 70 Euro kostet in Hamburg beispielsweise der Sprinttriathlon. Viel Geld für 500 Meter Schwimmen, 22 Kilometer Rad und fünf Kilometer Laufen. Und das Finisher-T-Shirt muß man auch noch extra bezahlen. In anderen Städten - wie Leipzig - kosten vergleichbare Distanzen weniger als ein Drittel.
Christian Toetzke (upsolut sports ag):„Sie können das nicht vergleichen, im Endeffekt bieten wir ein Produkt an wo wir glauben, dass wir einen extremen Aufwand betreiben. Damit die Leute in einer Stadt wie Hamburg so ein einmaliges Erlebnis bekommen. Und diese Veranstaltung, das kostet wiederum so viel und das ergibt dann den Preis, den man dann festsetzt. Daraus ergibt sich eigentlich so ein Verhältnis."
Trotz der hohen Gebühren: Der Triathlon ist ausgebucht. Und: Im Gegensatz zu anderen Wettkämpfen für Freizeitsportler führen die Organisatoren keine Veranstalterabgabe an die Deutsche Triathlon Union ab. Der Verband stellt zwar Kampfrichter und Dopingkontrollen, bei den Einnahmen geht die DTU jedoch leer aus.
Claudia Wisser (Präsidentin Deutsche Triathlon Union):
Frage: „Können die Veranstalter machen, was sie wollen? Geld verlangen, was sie wollen? Keine Verbandsabgabe zahlen?"
„Ja, sie versuchen es zumindest und wir haben uns schon auf die Fahnen geschrieben, dass das so nicht sein kann und das wir halt auch da hinter sind."
Bisher scheut die DTU in dieser Sache die Auseinandersetzung. Denn Hamburg zahlt seit Jahren nicht. Jährlich gehen dem Triathlonverband somit geschätzte Einnahmen von 70.000 Euro verloren.
Für die Agentur upsolut bleibt am Ende des Triathlons ein Reingewinn in sechsstelliger Höhe. Trotz des profitablen Geschäftes hat der Stadtstaat Hamburg zuletzt auch noch kräftig Steuergelder in eheblicher Höhe zugeschossen.
Grafik:
2008: 50.000 Euro
2009: 150.000 Euro
2010: 100.000 Euro
Christian Toetzke (upsolut sports ag):
„Kann man das noch jemandem erklären?"
„Ja, natürlich, weil die - da muss ich Ihnen das ganze Gebilde mal ... für mich ist das völlig nachvollziehbar. Erstmal machen wir eine Veranstaltung, die einen erheblichen Werbeeffekt und einen ökonomischen Effekt für die Stadt Hamburg produziert. In erheblichem Maße. Für mich ist ganz klar, wir wären ohne Unterstützung der Stadt Hamburg wäre diese Veranstaltung nicht da, wo sie heute ist. Was auch alle immer vergessen: Die Veranstaltung hat nicht von Anfang an Geld verdient. Sondern hier sind erhebliche Investments notwendig gewesen, über mehrere Jahre am Anfang, um diese Veranstaltung dorthin zu bringen."
Dass man mit Triathlon kräftig Profit machen kann, hat sich auch bis Köln herum gesprochen. Hier werden auch längere Distanzen für Freizeitsportler angeboten.
Uwe Jeschke (Jeschke and Friends Veranstaltungsservice):
„Ich glaube die Leute suchen auch immer mehr Herausforderungen. Das ist sicherlich auch die andere Sache. In fünf Jahren möchte ich eigentlich irgendwo bei 10000 bis 15000, vielleicht auch 20000 Startern sein. Wir sind der Meinung das geht. Es ist ein logistisches Problem, aber logistische Probleme lassen sich lösen."
Schon in diesem Jahr gab es in Köln große logistische Probleme. So suchten in der Wechselzone die Teilnehmer oft minutenlang nach ihren Laufschuhen. Die Veranstalter, so diskutiert die Triathlonszene dieses Amateurvideo auf youtube, stellte zu wenige und zu schlecht geschulte Helfer.
Einige Teilnehmer erwägen deshalb sogar einen Startverzicht für 2011.
Claudia Wisser (Präsidentin Deutsche Triathlon Union):
„Ich weiß, in Köln hat es dieses Jahr Probleme gegeben. Da werden wir uns sicherlich jetzt auch mit dem Veranstalter zusammensetzen müssen, dass die für nächstes Jahr ausgeräumt werden. Weil da ja auch nächstes Jahr die deutsche Meisterschaft auf der Langdistanz stattfindet und wir können uns als Verband natürlich - ich war selber nicht dabei, deshalb kann ich es nicht beurteilen - kein schlechtes Rennen erlauben, dass dann hinterher negativ bei den Athleten und insbesondere in der Presse dann rüberkommt."
Die nächste Stufe des Reibaches mit dem Breitensport: Firmenläufe, wie hier in Frankfurt. Über 70.000 zwängen sich durch die Bankenmetropole. Der Deutsche Leichtathletik Verband spielt bei solchen Läufen keine Rolle mehr. Die sonst übliche Verbandsabgabe von 25 Cent pro Läufer gibt es hier nicht.
Leo Monz-Dietz (Westfälischer Landestrainer Leichtathletik):
„Firmenläufe stellen sicher eine neue Entwicklung dar, die halt auch für die Organisatoren neue finanzielle Möglichkeiten eröffnen. Für die Leichtathletikverbände ist es kritisch zu sehen, da ein großer Teil der Laufbewegung droht zu entgleiten, den Richtlinien und Regularien der Verbände."
Olympiastadion, Berlin. Das Finale der Deutschen Firmenlaufmeisterschaft. Mit bis zu 25 Euro ist man hier dabei. Ein rein kommerzielles Event, bei dem es darum geht, Profit zu machen. Auch hier gibt es keine Verbandsabgabe. Der Breitensport ist nur noch Mittel zum Zweck.
Sebastian Wirtz (Geschäftsführer B2run GmbH):
„Ja derzeit befinden wir uns in der Investitionsphase. So ein Olympiastadion in Berlin mietet man auch nicht mal eben so an, aber wir glauben an das Produkt, wir sehen wie glücklich die Menschen sind, wie toll sich das alles entwickelt und von daher muss nach der Investitionsphase irgendwann auch mal ein Deckungsbeitrag dabei herauskommen."
Der Trend zum Firmenlauf.
Ihn hat der DLV scheinbar verschlafen.
„Die Chancen, die Agenturen haben durch ihre guten Verbindungen zu Sponsoren, sollten sicher für die Leichtathletik genutzt werden. Auf der anderen Seite sollten kleine Veranstalter nicht an die Wand gedrückt werden, so dass sie weiter durch ihre kleinen Veranstaltungen Jugendarbeit finanzieren können."
Der Freizeitsport ist mittlerweile ein professionelles Geschäft geworden. Bei dem die Verbände sichtbar überfordert sind. Der populäre Breitensport - er ist längst in der Hand von kommerziellen Agenturen.