Eine abenteuerliche Konstruktion
von Fred Kowasch
19.05.2011
Wenn der Gesetzgeber keine Möglichkeit einräumt, Wettmanipulationen zu ahnden, dann muß sich die Behörde etwas einfallen lassen. Dieses Gefühl bekam man beim Schlußplädoyer von Staatsanwalt Andreas Bachmann in Bochum. Um Ante Sapina paragraphenkonform zu verurteilen, 'zauberte' der Anklagenvertreter flugs eine neue Bande aus dem Ärmel.
So wurden hochrangige Mitarbeiter eines britischen Wettanbieters am 12. Verhandlungstag plötzlich zu Sapinas Komplizen in Europas grösstem Wettskandal. Namen wie Chang und Eric Ho, die in der Beweisaufnahme bisher allenfalls am Rande eine Rolle spielten. Am 12. Verhandlungstag wurden sie völlig unvermittelt von der Anklage zu Mitttätern gemacht. Bereits im ersten Verfahren zu Bochum hatte sich die Staatsgewalt mit dem Rechtskonstrukt der Bande schon trefflich verspekuliert.
Die Möglichkeit, das Urteil anzufechten besteht. Denn wer ist in diesem Fall wirklich geschädigt?! Sind es die Mannschaftkameraden von denen, die ein Match fixen? Sind es die Fernsehzuschauer, die betrogen werden? Ist es der Fan, der in der Kurve steht?
Die Bochumer Richter sahen einen Quotenschaden des Wettanbieters. Das ist dann - behördlich definiert - Betrug. Eine abenteuerliche, rechtliche Hilfskonstruktion. Nur in Ausnahmefällen haben sich Wettunternehmen bisher über manipulierte Spiele beklagt.
Hier zeigt sich das ganze Dilemma. So lange der Gesetzgeber keinen Straftatbestand Sportbetrug schafft, so lange schweben Ermittlungen und Prozesse in diesem Bereich in der rechtlichen Luft. Dies ist beim Doping so, dies ist bei Spielmanipulationen nicht anders.
Die Politik wird sich jedoch hüten, hier konsequent zu handeln. Ohne Doping bleiben die Medaillen aus, im Fall der Spielabsprachen wären die Zuschauer verärgert. Denn Fußball ist Opium für das Volk. Keiner will wirklich die schmutzigen Details wissen.
In der Beweisaufnahme zu beiden Prozessen kamen sie deutlich zum Vorschein. Details zu gepfiffenen Elfmetern, abgesprochenen Matches, dem 'Stillhalteabkommen' zwischen zwei Vereinen.
Wenn die 'Bochumer Prozesse' eines gezeigt haben, dann das: Der Fußball ist ein verlogenes Geschäft. Von dem alle profitieren. Spieler, Zocker, Wettunternehmen, Vereine, Medien und Fußballverbände. Da braucht man sich über mangelnden Aufklärungswillen nicht zu wundern.