+ Dokumentarfilm + Black Block - Wie linke Militanz wirkt (89 min, interpool.tv, 2023) +



+ + AUCH BEI AMAZON PRIME VIDEO (LEIHEN UND KAUFEN) + +


Vermummt, verschwiegen, schwarz gekleidet: Wenn die Elbchaussee brennt, der 1. Mai in Berlin in Gewalt umschlägt, am Hambacher Forst Steine fliegen oder im Leipziger Umland Neonazis mit Hämmern angegriffen werden. Staatliche Behörden können die Militanten des 'Black Block' fast nie identifizieren. Ein Dokumentarfilm, der Einblicke gibt. In eine Szene, die eigentlich mit keinem redet.

BLACK BLOCK hat eine Länge von 89 Minuten und wird von uns - via VIMEO - für 4,99 (Leihen, 48 Stunden) und 9,99 Euro (Kaufen, inklussive Download) angeboten. Dort findet sich auch Bonusmaterial, wie - zum Beispiel - ausführliche Interviews und nicht gesendete Szenen. Unser Dokumentarfilm kann außerdem bei AMAZON PRIME VIDEO erworben werden. Die Kinopremiere von 'Black Block' fand am 19. Januar 2024 im Leipziger Kino UT Connewitz statt und war zweimal AUSVERKAUFT. Mitte Mai lief der Film dort noch einmal vor vollem Haus. Bei der anschließenden Diskussion ging es ordentlich zur Sache. Wir planen den Dokumentarfilm auch an anderen Orten zu zeigen. Kontaktiert uns - wenn ihr eine Vorstellung machen wollt - unter fredkowasch(et)interpool.tv!

"Wir haben lange noch nicht gewonnen."

Revolte in Ägypten - ein Tagebuch (IV)

von Kristin Jankowski, Cairo

Vom Dach aus konnte ich sehen, wie Soldaten gemeinsam mit einer Gruppe von Maennern am aegyptischen Museum vorbeirannten. Sie hatten die selbe Geschwindigkeit. Ihre Richtung: Der Tahrir-Platz. Dann verschwanden sie aus meinem Sichtfeld. Ich lief die Treppen hinunter, nahm mit einem Sprung mehrere Stufen. Ich oeffnete das grosse Eisentor, das auf die Strasse fuehrt. "Nein, nein", rief der Pfoertner. "Gehe nicht dort lang", rief er mir nach als ich in zum Tahrir-Platz gehen wollte. "Bitte komm zurueck", rief er.
von Kristin Jankowski, Cairo

Vom Dach aus konnte ich sehen, wie Soldaten gemeinsam mit einer Gruppe von Maennern am aegyptischen Museum vorbeirannten. Sie hatten die selbe Geschwindigkeit. Ihre Richtung: Der Tahrir-Platz. Dann verschwanden sie aus meinem Sichtfeld. Ich lief die Treppen hinunter, nahm mit einem Sprung mehrere Stufen. Ich oeffnete das grosse Eisentor, das auf die Strasse fuehrt. "Nein, nein", rief der Pfoertner. "Gehe nicht dort lang", rief er mir nach als ich in zum Tahrir-Platz gehen wollte. "Bitte komm zurueck", rief er.

Es war Donnerstag, der 9. Maerz 2011. Kurz nach 17 Uhr. Ich hoerte auf ihn, drehte mich um und ging zuegig die Strasse entlang. Ich nahm einfach einen anderen Weg. An der Kreuzung konnte ich von weitem eine enorme Unruhe auf dem Tahrir sehen. Ich sah, wie Menschen aufgebracht durch die Strassen in Downtown liefen. Wie sie Stoecke in den Haenden hielten. Die Rolllaeden der Geschaefte wurden heruntergelassen. Ich ging in Richtung Tahrir-Platz. "Gehe hier weg." hoerte ich Stimmen zu rufen. Diesmal ignorierte ich sie. "Hau ab", hoerte ich weiter. "Es ist gefaehrlich. Gehe nach Hause", so eine andere Stimme. Ich drehte mich nicht um. Ich stand einige Meter vor dem Tahrir-Platz, ich sah wie Maenner mit Stoeckern ueber den Platz gingen. Wie Soldaten aufgebracht hin und her liefen, wie einer von ihnen einen Jungen am Kragen packte und ihn ueber die Strasse zog. Ich stellte mich an eine Strassenecke. Auf dem Platz befanden sich tausende Menschen. Viele von ihnen rannten hastig ueber den Platz. Autofahrer versuchten durch das Durcheinander ihren Weg zu finden. Die kleine Zeltstadt in der immer noch rund 100 Demonstranten hausten, befand sich auf einer grossen Verkehrsinsel. Zwei Soldaten gingen hastig an mir vorbei und schwangen grosse Holzstaebe. "Das ist alles ein dreckiges Spiel" sagte ein Mann, der neben mir stand. Seine schwarzen Lederschuhe waren staubig, sein Gesichtsausruck veraengstigt. "Die wollen uns gegeneinander aufbringen", sprach er weiter. "Wen meinst du ?" fragte ich ihn. Mir war seine Antwort schon bekannt, bevor er sie aussprach. "Die Armee". Er senkte den Kopf. Ich sah wie fuenf Militaerpolizisten auf mich zukamen. Sie trugen rote Muetzen. Einer von ihnen machte eine Handbewegung. Ich ruehrte mich nicht. "Hau ab", sagte er, als er vor mir stand und mich mit seinen dunkelbrauenen Augen anstarrte. "Gehe hier weg", lautete seine Aufforderung. Sein Gesichtsausdruck verzog sich. "Hau ab", wiederholte er. Ich hatte das Gefuehl, als ob er kurz davor war, seine Fassung zu verlieren. Ich drehte mich um. Und ging nach Hause.

Am 9. Maerz 2011 ist die kleine Zeltstadt am Tahrir-Platz gefallen. "Was wollen denn die Demonstranten noch ?" hatte mich eine Arbeitskollegin Tage zuvor gefragt. "Mubarak ist doch zurueckgetreten. Was wollen diese Leute auf dem Tahrir ?" Ich stand am Fahrstuhl, hielt die Tuer fest. Ich entschied mich lieber in den Fahrstuhl zu treten, anstatt eine lange Diskussion mit ihr zu beginnen.  

"Bis jetzt hat es noch keine Revolution in Aegypten gegeben", sagte mein Mitbewohner. "Das Land wird seit Jahrzehnten von der Armee regiert. Und es wird immer noch von der Armee regiert." Es war kuz vor halb zwoelf. Er wollte die Nacht in seinem Elternhaus verbringen. Aber es war zu spaet. Seit Wochen gibt es in Aegypten eine Ausgangssperre, die um Mitternacht beginnt und morgens um 6 Uhr aufhoert. Wer zu dieser Zeit in den Strassen ist, muss an den Checkpoints seinen Ausweis zeigen. Soldaten muss erklaert werden, warum ein Spaziergang in seinem eigenen Wohnviertel von Noeten ist. Mit Pech kann es zu einer Festnahme kommen.
"Wir haben fuer Freiheit demonstriert. Nicht fuer eine Ausgangssperre", denkt mein Mitbewohner.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Maerz sass ich auf meinem Sofa, es war leise in den Strassen. Das Fenster war leicht geoffnet. Ein frischer Wind zog durch die Wohnung. Und kurz vor 1 Uhr bemerkte ich, dass sich eine Meldungen bei dem sozialen Netzwerk Twitter haeufte: Die Demonstranten,die sich noch auf dem Tahrir befanden, bereiten sich auf einen Angriff von bezahlten Banden vor.

Ich hoerte Schreie von draussen, ich oeffnete das Fenster weit und lehnte mich nach draussen. Auf der Strasse sah ich Maenner, einige von ihnen hielten Stoecke in den Haenden, die anderen verschwanden hastig hinter einer Kreuzung. Ich zog mir meine Schuhe an, wickelte mir einen Schal um den Hals und verschwand aus der Wohnung. Ich wollte auf den Tahrir-Platz. "Stop" hoerte ich einen Mann sagen, der vor dem Parkhaus stand. "Gehe nicht in diese Richtung", sagte er weiter. "Gehe da weg". Ich nahm einfach eine andere Strasse. Und dann sah ich sie auch schon angerannt kommen: Eine Gruppe von rund 100 Maennern , die teilweise Stoecke in den Haenden hielten. Ich stellte mich unter einen Baum. In der Dunkelheit konnten sie mich nicht sehen. Die Maenner liefen zum Tahrir-Platz.

Sekunden spaeter hoerte ich Schreie in der Ferne. Eisenstangen knallten auf den Asphalt. Ich wartete einen Moment ab, bis ich einen Umweg nahm um auf den Tahrir-Platz zu gehen. Doch ich kam nicht weit. Ein Soldat hielt mich auf. Er wollte meinen Ausweis sehen. Er lachte kurz auf, als ich ihm meinen Pass zeigte. "Aus Deutschland ?" fragte er. Ich nickte. "Gehe bitte nach Hause", sagte er freundlich zu mir. Er war offensichtlich mehr als 5 Jahre juenger als ich. "Warum ?" wollte ich wissen. "Bitte", war seine Antwort. Ich war mir sicher, dass er mich niemals nur einen Schritt weiter in Richtung Tahrir-Platz gehen lassen wird. Ich nahm meinen Ausweis zurueck, verabschiedete mich von ihm, er laechelte. Die Schreie konnte ich immer noch hoeren.

"Das wird morgen ein langer Tag werden", dachte ich, als ich meine Haustuer aufschloss. Und ich hatte mich nicht geirrt. Ich schreckte bei der Arbeit auf, als ich gegen 14 Uhr eine grosse Unruhe von draussen vernahm. Das Buero liegt unweit vom Tahrir-Platz entfernt. Ich sprang vom Stuhl auf und ging die Treppen hinunter. Draussen am Eingang wollte der Pfoertner gerade das Tor schliessen, aber ich huschte noch schnell mit einem Mann durch den kleinen Spalt hindurch. In der Strasse hatten sich zahlreiche Menschen versammelt. Ich ging einige Meter zum Tahrir-Platz. Dort sah ich, wie Maenner am aegyptischen Museum standen und laut skandierten. Einige Soldaten standen vor ihnen. Auf dem Tahrir-Platz sah ich, wie die Demonstranten bereits Stoecke in den Haenden hielten. Zwischen diesen beiden Gruppen war ein Abstand von etwa 200 Metern. "Hau hier ab", sagte ein junger Mann zu mir. "Warum ?" fragte ich ihn. "Es ist gefaehrlich hier", lautete seine Antwort. "Warum bist du hier ?" wollte ich von ihm wissen. Er schwieg. "Warum ist es fuer mich gefaehrlich, aber nicht fuer dich ?" fragte ich nach. Ihm ist keine Antwort eingefallen. Ich ging einfach weiter.

Zahlreiche Leute hatten sich an das gruene Strassengitter gelehnt. Ich traf einen kleinen Jungen, der uns einige Tage zuvor mit einem selbstgebauten Musikinstrument zum Lachen brachte.  Auch er war neugierig. Ich schaute mich um und stellte mich lieber an eine Strassenecke. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln.

Ich bemerkte wie die Menschenmenge immer unruhiger wurde - und dann flogen die Steine durch die Luft. Einige Leute rannten an mir vorbei und versteckten sich hinter einem Kiosk. Seltsamerweise wurde es nach einigen Minuten wieder ruhiger. Ich ging zurueck zur Arbeit.
Bis ich etwa zweieinhalb Stunden spaeter wieder Schreie von draussen vernahm. Und diesmal sah ich vom Dach aus die Armee gemeinsam mit einer Gruppe von Maennern in Richtung Tahrir-Platz laufen.

Am 9. Maerz 2011 wurden laut democracyreview.com 192 Personen festgenommen. Davon waren 17 von ihnen Frauen. Weiter wird auf der Internetseite geschrieben, dass das Camp auf dem Tahrir-Platz zerstoert wurde und friedliche Demonstranten attackiert wurden - von Maennern, die laut democracyreview.com definitiv bezahlt wurden. Entweder, so wird behauptet, von dem Militaer, der Staatssicherheit oder der Polizei.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilt in einer Erklaerung das  Vorgehen der aegyptischen Armee. "Es ist absolut unakzeptabel, dass das Militaer bei dem brutalen Aufloesen des friedlichen Protestes teilgenommen hat", so Hadj Sahraoui Amnesty International's Deputy fuer den Nahen Osten und Nordafrika. "Der oberste Militaerrat hat die Pflicht, das Recht auf eine friedliche Demonstration aufrecht zu erhalten." Weiter sagt er: "Wir haben mit Augenzeugen gesprochen, die uns berichtet haben, dass die Armee es Banden erlaubt hat, die Demonstranten mit Stoeckern und Schwertern anzugreifen. Das ist die selbe Taktik die unter dem ehmaligen Praesidenten Hosni Mubarak angewendet wurde. Es sieht so aus, als ob das Militaer ganz schlicht die alten Taktiken der Repression nutzt."

Laut Amnesty International haben Soldaten zahlreiche Demonstranten festgenommen und diese in das Aegyptische Museum in der Naehe des Tahrir-Platzes gebracht. Unter den Festgenommenen war auch Ramy Issam. In einem Bericht beschreibt der 23-jaehrige die Vorkommnisse. Am Tahrir-Platz schleppte ihn eine Gruppe von Soldaten vor das Museum. Dort wurde er an Offizieren uebergeben. Laut Ramy, haben diese Offiziere seine Haende und Fuesse zusammengebunden. "Sie haben angefangen auf meinen Koerper und in mein Gesicht zu treten." Laut Ramy wurde er unter anderem mit Peitschen und Kabeln geschlagen.
Er wurde mit einem Elektroschocker gefoltert. Laut Ramy haetten Offiziere Schuhe in sein Gesicht geworfen. Sie haetten ihm sogar das lange Haar abgeschnitten.

Und Ramy ist nicht der Einzige, dessen Schicksal bisher oeffentlich gemacht wurde. Auch ein junger Mann, der Khaled genannt wird, wurde angeblich von der Armee gefoltert.

In einem Video sind seine Folterspuren deutlich zu sehen: http://www.youtube.com/watch?v=ImzhM0VAfVw&skipcontrinter=1

"Wir kaempfen gegen Teufel", kommentiert ein Aegypter die Aufstaende in seinem Land. "Wir haben lange noch nicht gewonnen."

Kristin Jankowski (29) lebt seit knapp zwei Jahren in Kairo, fünf Minuten vom Tahrir-Square entfernt. Sie hat mehrere Jahre für interpool.tv als Videojournalistin gearbeitet. In diesem Zusammenhang berichtete sie u.a. über die Proteste beim G8-Gipfel in Heiligendamm. Des Weiteren hat sie intensiv zum Themenkomplex des BND-Untersuchungsausschusses recherchiert und dazu zahlreiche Artikel veröffentlicht.

 

Drucken