In stiller Trauer. Kai Wiedenhöfer (* 3. März 1966 † 9. Januar 2024)

+ Dokumentarfilm + 'Walls - a Photographer between the Lines' (88 min, OmU, 2013) +

Israel und die besetzten Gebiete, Belfast, Baghdad, Ceuta, Zypern, die Grenze zwischen den USA und Mexico. Kai Wiedenhöfer hat eine Mission. Er will die Mauern der Welt fotografieren, zeigen was ein Betonwall aus Menschen macht. Mit seiner Panoramakamera geht er dorthin, wo Gummigeschosse, Tränengas und Strassenschlachten zum Alltag gehören. Er trifft auf Migranten, Drogendealer und engagierte Menschenrechtler. Immer wieder aber auch auf bewaffnete Soldaten und aggressive Grenzpolizei. Gegen viele Widerstände versucht er sich seinen Traum zu erfüllen. Kai Wiedenhöfer möchte seine Panoramafotos auf die weltbekannte 'East Side Gallery' in Berlin zu bringen. Jahrelang kämpft er dafür. Im Sommer 2013 kommt es in seiner Wahlheimat zum Showdown. Die Dokumentation „Walls – a Photographer between the Lines“ hat Kai Wiedenhöfer - der einst Zeuge des Berliner Mauerfalls wurde - über neun Jahre lang begleitet.



The photographer Kai Wiedenhöfer works at life's extremes. With his panoramic camera, he is going to places, where rubber bullets, teargas, street battles belong to the daily life of the people. As a young man, Kai Wiedenhöfer witnessed the fall of the Berlin Wall. Since then, he has been fascinated by borders, walls and fences. His mission is to find out what concrete barriers do to the people they separate. In 2013, he tried overcoming every resistance and bringing his panorama pictures on the famous "East Side Gallery" in Berlin. The documentary accompanied Kai Wiedenhöfer for nine whole years.

Dokumentarfilm: Independent is out

von Fred Kowasch

Leipzig
, Duisburg, Kassel und - jetzt - Amsterdam. Wöchentlich findet momentan irgendwo ein Dokumentarfilmfestival statt. Jetzt hebt auch arte einen solchen Programmschwerpunkt auf den Sender. Filme, die vor Jahren im Kino liefen. Dort aber selten von mehr als ein paar Tausend Zuschauern gesehen werden.

Auch das netzwerk-recherche nahm sich am Wochenende dem Thema an. Kurzes Fazit der Konferenz 'Weitblick - die lange Form, die ganze Geschichte': es geht alles den Bach runter. Kaum mehr Sendeplätze im TV wurde da geklagt und immer weniger Geld für die einzelnen Projekte. Hinzu kommen Schwierigkeiten beim Einholen von Drehgenehmigungen und - immer häufiger - Unterlassungsklagen.

Fakt ist: von ihren Filmen können in Deutschland allenfalls ein paar Dutzend Dokumentarfilmer leben. Und dass auch nur, wenn sie Redakteure finden, die sie aus dem Öffentlich-Rechtlichen Anstalten heraus mit Aufträgen versorgen. Independent - so der Eindruck von der netzwerk-recherche Tagung - ist out.

Auf die Möglichkeiten im Netz angesprochen, auf Crowdfunding, netflix, den Vertrieb übers Web - nur Schulterzucken auf dem Podium. Einem Filmprofessor aus Köln fielen allenfalls noch die Katzenvideos auf youtube ein, mit denen ein paar Kids Geld verdienen würden.

Eine Branche in Agonie. Eine Branche, die sich gern darstellt. Selten zuvor haben so viel Dokumentarfilmer sich selbst zum Thema ihres Filmes gemacht. Zum Beispiel indem sie um ihre Wohnung in Berlin kämpfen, Abfindung des Eigentümers inklussive. Oder sie schaffen Wirklichkeit, indem sie mit Schauspielern arbeiten, Geschichten arrangieren. Die Banalität des Privaten hat Konjunktur. Politische Themen, unabhängiges und engagiertes Kino, finden sich derzeit selten.

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