Sachbuch-Tipp: 'Heimatschutz' von Stefan Aust und Dirk Laabs (Reblog)

von Fred Kowasch

heimatschutz864 Seiten, die es in sich haben.
864 Seiten bester, hintergründiger Journalismus.

Das Buch räumt mit der Legende auf, dass Polizei und Sicherheitsdienste die Gefahr eines Rechtsterrorismus unterschätzt haben. Akribisch wird dokumentiert: schon früh beschäftigte dich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit der rechtsradikalen Szene. Dort platzierten sie Dutzende Spitzel, die nicht selten später selbst zu Akteuren, zum Problem wurden.

Die Rolle des BfV und seiner V-Leute in der NSU-Affäre ist bis heute unklar. Auch weil im BfV, mit Bekanntwerden des Nationalsozialistischen Untergrundes Anfang November 2011, massenweise einzigartige Treffberichte eilig geschreddert wurden.

In einer Detailfülle, die ihresgleichen sucht, rekonstruieren die Autoren Stefan Aust und Dirk Laabs die einzelnen Taten des NSU. Banküberfälle, Sprengstoffanschläge, Morde. Sie zeigen, auf welchen Spuren die Ermittler waren, in welche Richtung sie wie ermittelten. Noch nie wurde - zum Beispiel - das Abtauchen des NSU am 26. Januar 1998 so genau beschrieben, hat man diese Details zum Mord an der Polizistin Michelle Kiesewetter (25. April 2007) erfahren. 

Ein spannnendes, fast unglaublich-wirkendes Stück Zeitgeschichte. Chronologisch dargestellt wie in einem Tagebuch. Nur dass man hier auf das Gewesene aus verschiedenen Perspektiven blicken kann. Vervollständigt durch Abhörprotokolle und wörtliche Mitschriften aus den verschiedenen Untersuchungsausschüssen von Bund und Ländern.

Am Ende ergibt sich ein Bild, dass zwangsläufig unvollständig sein muß. Das aber zeigt, wie zuweilen unmotiviert und unprofessionell Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz gearbeitet haben. Wie sie beste Gelegenheiten ausliessen, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zu fassen.

"Es dürfen keine Staatsgeheimnisse bekannt werden, die ein Regierungshandeln unterminieren." Diesen Satz des ehemaligen BfV-Vize Klaus-Dieter Fritzsche vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages haben die Autoren an den Schluß ihres Werkes gestellt. Keine andere Aussage verdeutlich eindringlicher, warum staatlichen Behörden so gehandelt haben.

Stefan Aust, Dirk Laabs - Heimatschutz, Der Staat und die Mordserie des NSU, Mai 2014, Pantheon-Verlag, 22,99 Euro

 

Tags: Heimatschutz, NSU, Stefan Aust, Dirk Laabs

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