Das Geheimnis von Götzis

goetzisJedes Jahr Ende Mai in einem kleinen Dorf in den Bergen von Österreich. Fremde fallen ein. Aus Jamaika, Canada, und den Vereinigten Staaten kommen sie, um hier Sport zu treiben.
Was führt sie hierher?

Das Geheimnis von Götzis ist auch ein Geheimnis des Mehrkampfes. Hier werden die wahren 'Könige der Athleten' gekrönt. Jeder will dabei sein, koste es was es wolle.
Jedes Jahr Ende Mai in einem kleinen Dorf in den Bergen von Österreich. Fremde fallen ein. Aus Jamaika, Canada, und den Vereinigten Staaten kommen sie, um hier Sport zu treiben.
Was führt sie hierher?

Das Geheimnis von Götzis ist auch ein Geheimnis des Mehrkampfes. Hier werden die wahren 'Könige der Athleten' gekrönt. Jeder will dabei sein, koste es was es wolle.

Irgendwie findet sie alle einen Parkplatz. Abschleppwagen - Fehlanzeige. Auf der Zufahrtsstraße schleppen Dutzende Familien Campingstühle, Kühltaschen und Grillzelte zum Ereignis des Jahres.

Zur Begrüßung im Stadion gibt es ein kleines Fläschlein Sonnenmilch - Lichtschutzfaktor 15 und garantiert wasserfest. Dies ist auch bitter nötig, beginnt mit dem ersten Startschuß doch ein Platzregen, der keinen so richtig freut.

Trotzdem gibt es - wie immer - Weltbestleistungen. Ein Amerikaner sprintet um sein Leben, ein Herr aus Jamaika wuchtet die Kugel fast bis an die Grasnarbe. Das will schon etwas heißen. Am Rande plaudert der Olympiasieger mit einem Betreuer.
Ganz so ernst scheint er den Wettkampf nicht mehr zu nehmen. Er wird bald aussteigen. Muskelprobleme. Bestimmt hat er ein saftiges Antrittsgeld mitgenommen.

Aus den Lautsprechern drönen derweil die Rolling Stones. Eine Belgierin ist auf Rekordjagd. Das Publikum jolt, denn Tia Hellebaut hat 1,97 übersprungen. Weltbestleistung für einen Mehrkampf. Derweils baumeln nasse T-Shirts im Wind . Manch einer hat seine Regenjacke ausgezogen und Lichtschutzfaktor 15 aufgelegt.

Obwohl der Wettkampf sich stundenlang hinzieht, ist immer etwas zu sehen. Geduldig schreibt Weltmeisterin Klüft Autogramme. Fünfzehn Minuten lang, bis auch der letzte Fan genug hat. Die Presse muß warten. Währenddessen fegen muskelbepackte Athleten über die Stadionrunde, als sei es Training. Schließlich werden die Grillzelte abgebaut. Morgen ist auch noch ein Tag. Am Ausgang warten eine paar Weltklasseathleten. Manche hocken - nach einem harten Wettkampftag - gar auf dem Bordstein. Sie warten auf einen Kleinbus, der sie ins Hotel bringen soll.
Was zur Hölle nur, wollen sie in Götzis?!

Dunkle Wolken über Götzis. Wie gestern. Gegen Mittag soll der Regen kommen. "Und noch einen Hinweis an den Fahrer des Wagens ......: bitte, das Fenster steht offen."

Am Start der 110 Meter Hürden flattern weiß-rot Bändchen. Die sollen allzu Neugierige abhalten. Die Autogrammjäger kümmert es nicht, die Athleten genießen diesen Kontakt förmlich. Am Rande geben eifrige Trainer letzte Tipps.

"Put the Hands up in the air" - die Musik dröhnt und die Rekorde purzeln. Auf zwei Anlagen schrauben sich Körper an Stäben in die Höhe, in der Ferne weinen bereits die Wolken. Erst tröpfelt es nur, dann gießt es wie aus Kannen. Selbst die hartgesottensten Zehnkampffans denken nun an Rückzug, zumindest bis zum Verpflegungszelt. Dort gibt es Schnitzel in der Semmel, Burger, Rostbartwürste, Krakauer, Schweinestakes und für die Kinder Pommes mit Mayo. Und natürlich Bier, jede Menge Bier. Oktoberfest im Mösle-Stadion.
Keine Suppe, keinen Salat - für Vegetarierer ist die Veranstaltung eine Zumutung.

"Einen Notart bitte zur Tribühne, einen Notartzt zur Tribühne" - der sonst so gelassen wirkende Stadionsprecher ist in Aufregung. Zehn Leute stehen um einen leblosen Körper, kein Notarzt ist in Sicht. "Gehen Sie bitte weiter". Nach zehn Minuten ist erste Hilfe gekommen.

Die Musik ist unterbrochen, es ist gespenstig still. Hinter dem Sprintstart wird gerade um das Leben eines Menschen gerungen.

Dann geht die Party weiter. Die Musik dröhnt, die Wurst bruzelt und die Speere spicken in den Rasen. Warum nur Götzis, fragen wir unseren Nebenmann. Der hat seit 1975 kaum ein Mehrkampf-Meeting verpaßt, noch die T-Shirts der letzten 32 Jahre im Kleiderschrank. "Es ist die Atmossphäre" sagt er, aber bestimmt auch das Geld. "Die Österreicher sind geschäftsstüchtig".

Bei Dutzenden von Sponsoren im Veranstaltungsprogramm fallen einem dann doch nicht mehr so viele Fragen ein. Das Geheimnis von Götzis, als schnöder Auswurf des Mammons?! Ein wenig ratlos fahren wir von dannen. Vielleicht muß man wieder kommen, um das Geheimnis von Götzis zu ergründen ....

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